A r b e i t n e h m e r w e i t e r b i l d u n g

Eine Provinzposse

(aus Einblick 4/2000)

Der DGB Nordrhein-Westfalen hat die geplante Änderung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes als "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet – trotz auch von ihm geäußerter massiver Kritik. Das Recht auf Bildungsurlaub wird zu einer Frage der Betriebsgröße. Das jedenfalls sieht der Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf vor. Denn Arbeiter und Angestellte in Betrieben mit weniger als zehn Beschäftigten sollen künftig keinen Anspruch mehr auf bezahlte Freistellung von der Arbeit haben. Dasselbe soll in Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten gelten, wenn bereits zehn Prozent der Belegschaft im laufenden Kalenderjahr freigestellt worden sind. Zu viel Bildung ist der Landesregierung ebenfalls suspekt. Wer schon eine betrieblich oder dienstlich veranlasste Bildungsveranstaltung genossen hat, muss sich davon bis zu zwei Tage auf den Freistellungsanspruch von fünf Tagen im Jahr anrechnen lassen. Dass Reisen bildet, bestreitet die Regierung. Studienreisen sind laut Gesetzentwurf ebenso von der Anerkennung ausgeschlossen wie "Veranstaltungen außerhalb von Nordrhein-Westfalen", es sei denn, sie finden in unmittelbar angrenzenden Nachbarländern oder am Sitz von Institutionen der EU statt. Dass nicht nur Zielgruppe und Dauer der Weiterbildung eingeschränkt, sondern sie auch örtlich begrenzt werden soll, "erscheint uns als Provinzposse angesichts erklärter politischer Absicht der Landesregierung, den europäischen Einigungsprozess voranzutreiben", heißt es in der Stellungnahme des DGB-Landesbezirks. Dennoch stimmt er der Novelle zu, denn sie schaffe Rechtssicherheit in Sachen Bildungsurlaub. Die beliebte Arbeitgeber-Methode, Anträge auf Bildungsurlaub zu ignorieren, verfängt in Zukunft nicht mehr. Bislang dürfen Bildungshungrige die Firma auch dann nicht verlassen, wenn der Chef überhaupt nicht reagiert. Das soll sich ändern: "Teilt der Arbeitgeber die Verweigerung der Freistellung nicht mit, so gilt die Freistellung als erteilt." Der Gesetzentwurf biete Unternehmern "kein Schlupfloch", Arbeitnehmerwünsche nach Bildungsurlaub zu missachten, so Klaus Brülls, Geschäftsführer des DGB-Bildungswerks in NRW. Das haben auch die Arbeitgeber erkannt. Sie haben "kein Verständnis dafür, dass ernsthaft daran gedacht wird, die Inanspruchnahme des Bildungsurlaubs durch ein Änderungsgesetz zu steigern". Die Absicht des Gesetzgebers, "eine konfliktfreie Inanspruchnahme des Rechts auf Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung (zu) unterstützen", dürfte zum Scheitern verurteilt sein. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs hat Ende Januar stattgefunden, die Beschlussfassung im Parlament ist noch nicht terminiert. Die Zeit drängt: Am 14. Mai ist Landtagswahl in NRW. "Entweder ist die Novelle bis Mitte Mai über die Bühne", so Brülls, "oder das Gesetz bleibt wie es ist". Weitere Informationen unter:

http://www.labournet.de/diskussion/wipo/index.html